Die Wippsteert (L-130)

Mit freundlicher Genehmigung des BSV Ammersee (Herr Dr. Jäger) können wir hier einen Bericht über die Wippsteert, L–130, veröffentlichen.

Mastbruch

L-130

BSV Ammersee

L-130
Die L–130, ein 30–qm–Binnenkieler, war ein besonderes Schmuckstück in der BSV–Flotte. Sie wurde in den Kursen von Bootsführern wie von Schülern gerne gesegelt. Jochen Graeber erzählt die Geschichte ihres Mastbruchs:

Mast absegeln war überhaupt eine beliebte Übung. So schubste zum Beispiel einmal die “Condor” mit Peter Scheibe die „Wippsteert” von achtern derart an, dass sich ihr Achterstag in der Buglippe der “Condor” verhakte. Die “Wippsteert” nahm Fahrt auf, wie die “Condor” sie verlor. Die Peitsche (der Mast) bog sich seinem Namen folgend, überbog sich, und brach!

Die Versenkung der Wippstert

Am 28. Juli 1970 ereilte den 30qm–Binnenkieler „Wippsteert” das Schicksal des Untergangs, bei dem glücklicherweise keine Personen zu schaden kamen. Michael Abel, einer der Beteiligten, beschreibt das „Lehrstück in der Segelschule”:

„Wie versenkt man eine Yacht – dargestellt am Beispiel der “Wippsteert” im Sommer 1970”.

Wer beim BSV segeln gelernt hat, weiß dass hier vieles nach den alten Regeln der Seemannschaft abläuft. Dafür sortgte schon die graue Eminenz, der ehemalige Technische Leiter, “Papa” Sondheim. Wer nach seinen „Spielregeln” mitmachte, erkannte aber auch bald Freiräume, da nicht alles bis ins letzte Detail reglementiert war. Durch diese Freiräume wurde jedoch dem einzelnen ein großes Maß an eigener Verantwortung abverlangt. Ein Beispiel war und ist es auch heute immer noch, dass gute junge Segler recht bald als Bootsführer oder dessen Stellvertreter (genannt I.O. d.h. „erster ‘Offizier”) angelernt werden und so sehr früh lernen, in den Segelkursen verantwortlich mitzuarbeiten.

In jenem Sommer war ich neben dem Bootsführer und drei Segelschülern als I.O. auf der „Wippsteert” eingeteilt. Wir segelten bei herrlichem Wind unsere Manöver und waren gerade dabei, das Segeln an diesem Nachmittag so recht zu genießen. Doch wie so oft am Ammersee, schlug uns das Wetter ein Schnippchen. Ein Gewitter zog auf und der Wind wurde sehr böig. Am Ruderhaus der „Andechs” wurde nicht nur die Schwimmwestenflagge, sondern auch das Signal „in Hafennähe bleiben” gesetzt. Wir befanden uns zu diesem Zeitpunkt etwa auf Höhe Schondorf. Um allen an Bord die Gelegenheit zum Anlegen der Schwimmwesten in einer windgeschützten Zone zu geben, steuerten wir Richtung Ufer, um dann dicht unter Land zur „Andechs” zu segeln. Dies erwies sich nachträglich als großer Fehler. Wir mussten erfahren, dass gerade in Ufernähe die Böen mit extremer Geschwindigkeit und Härte einfallen, dass es einer gut eingespielten Crew bedarf, um das Schiff gefahrlos zu führen. Auch uns erfassten solche Windstöße. Zunächst schien alles recht gut zu gehen. Doch plötzlich traf uns eine dieser tückischen Böen mit dem Resultat, dass Anluven und sinniges Auffieren des Großsegels allein nicht auszureichen schienen. Das Ruder wurde stärker gelegt, die Großschot rauschte plötzlich durch, verhackte sich auch noch und schon kam das Schiff in eine Drehbewegung, die nicht mehr aufzuhalten war. Dabei unterschnitt die Heckpartie so stark, dass im Nu knietief Wasser im Boot stand und schnell weiter nachströmte.

Wir erkannten sehr bald, in welcher Lage wir gekommen waren. Also hieß es für die Mannschaft: ab ins Beiboot. Nur hatte in der Eile niemand daran gedacht, dessen Vorleine zu lösen, und ehe ein Messer zum Kappen gezückt war, zog die sinkende Yacht das „Rettungsboot” schon mit unter Wasser. Also raus aus dem Beiboot und sich schwimmend über Wasser halten. Auf der „Andechs” war dies alles nicht unbemerkt geblieben. Deshalb konnte bald darauf die schwimmende Crew von der „Argus” aufgenommen und schnell ins Trockene gebracht werden.

Trotz all der Verwirrung in diese „ungeübten” Situation waren wir in der Lage, eine Peilung des untergehenden Schiffes anzugeben. Zusammen mit einer Peilung der „Andechs” aus war deshalb die ungefähre Lage des Schiffes recht bald ausgemacht. Was kann man aus dem Vorfall lernen? Auch eine Yacht kann untergehen! Es müssen nur ganz besondere Umstände zusammentreffen. Dies waren zum einen sicher die starken Böen unter Land, die wir unterschätzten und seglerisch nicht einwandfrei beherrscheten. Zum anderen war es aber auch die besondere Bauart dieser Yacht – offen wie eine Jolle aber ohne Auftriebskörper, die ein vollgelaufenes Schiff in etwa auf Wasseroberfläche halten können.

Was bleibt noch zu erzählen? Dass Fehler auch manchmal gutes haben. Erstens segelten wir sehr nahe am Ufer, deshalb konnte das Schiff auch nicht sehr weit sinken. Zweitens schwebte das am Heck festgemachte Holzbeiboot über dem Schiff, Deshalb konnte sich die Schleppleine einer Suchmannschaft darin verfangen. Im Herbst des gleichen Jahres wurde die „Wippsteert” dann auch gehoben und die Crew konnte den einen oder anderen gut verstauten Gegenstand wieder in Empfang nehmen.

Der endgültige Untergang

Leider wurden in diese schön zu segelnde Yacht die Auftriebskörper nicht schnell genug eingebaut. Und so wurde die „Wippsteert” im folgenden Sommer schon wieder unter „unter Wasser gesegelt”. Diesmal versank sie vor der Herrschinger Bucht in eine unerreichbare Tiefe von etwa 50 Metern. Joachim Renz erinnerte sich an den endgültigen Verlust der „Wippsteert” am 12. Juni 1971:

Bei stark böigen Westwind haben wir mehrmals Wasser übernommen. In einer weiteren kräftigen Bö geschah dies erneut. Darauf erfolgte unerwartet ein schnelles, schwunghaftes Aufrichten zur Senkrechtstellung. Da das Cockpit nun voll war, versank die Yacht mit immer noch senkrecht stehendem Mast – zusammen mit dem am Heck festgemachten Beiboot.