Paul Francke

„Nur der Konstrukteur wird Höchstes erreichen, der gleichzeitig auch ein erfolgreicher Regattasegler ist. Nur demjenigen werden sich die letzten Feinheiten in der Linienführung eröffnen, der mit seinen eigenen Augen den Verlauf der Wasserfäden in jeder Lage des Bootes geprüft hat und mit eigener Hand im Kampf um den Sieg die Mängel und Vorteile des von mir konstruierten Bootes erfühlt.“

Bei der Suche nach Informationen über die L–110 stand auch der Konstrukteur im Blickfeld. Nach einigem Hin und Her stellte sich heraus, dass Paul Francke das Boot gezeichnet hat. Wer war er?

Geboren wurde Paul Francke am 10 Januar 1858 in Berlin, aus einem wohlhabenden Elternhaus stammend. Seine Eltern verstarben früh. Paul Francke wurde ein begeisterter Segler und erwieß sich als Naturtalent. Von Anfang an segelte er sehr erfolgreich und siegreich Regatten. Francke war als ein ausserordentlicher fairer Segler und Sportsmann bekannt.

Bei allen Erfolgen blieb er ein bescheidener Herr, stets im Hintergrund. Die Bedeutung von Paul Francke für den Yachtsport, den Bootsbau und die Bootsentwicklung ist daher nur wenigen bekannt.

Aus Liebe zum Wasser und Segeln wurde Paul Francke Konstrukteur. Georg Belitz, ein bedeutender Nestor des deutschen Segelsportes vor dem 20. Jahrhundert, war sein Lehrmeister.

Als sehr angesehener Konstrukteur konnte Francke für seine Freunde die ersten Boote Zeichnen. Motoryachten, Gebrauchsschiffe und Behördenboote entstanden an seinem Reissbrett. Schönheit und Harmonie der Linienführung, Sorgfalt im Details sind sein Markenzeichen. Die Francke–Boote waren gleichermaßen schnell und elegant, mit guter Kreuz und sie liebten einen strammen Wind.

Alle Boote aufzuführen würde diesen Bericht sprengen! Aus den Recherchen des Autors ergaben sich ab 1885 u.a. folgende Boote:

  • Yawl „Doris“,
  • Slup „Berta“
  • „Irrlicht I“ und „Irrlicht II“. Mit der Letzteren gewann Francke den Kaiser Preis zwei mal.
  • die Rennflunder „Phantom“,
  • mehrere Sonderklasse–Boote: „WittelbachV“( als Konstrukteur, Erbauer und Skipper gewann er den Samoa–Pokal) „Felix“, „Drauf“ und viele mehr.
  • 45 er Nationale Kreuzer: „Wilderich“, „Jugend“,“Hannerl“,“Kobolt“ und für Bayern „Seewastel“ und „Swanhild“.
  • 35 er Nationale Kreuzer: zum Beispiel „DicoII“, Quirl“ und der sehr erfolgreiche „Sturmgesell“. Mit seinen Konstruktionen beherrschte Francke von 1922 – 1924 diese Klasse.
  • Nationale 30qm Rennyachten (L–Boote): L–60 „Annemarie VIII“, L–63„Annemirl“, L–72 „Elisabeth“, L–74 „ Ellen“, L–80 „Fustanella“, L–113„Pipapo“, L–110 „Gazelle“, L–143 „Jugend“, L–147 „Tarantella III“, L–?? „Mingon II“ sowie weitere L–Boote, die leider nicht eruiert werden konnten.
  • Meteryachten wie die 8mR–Yacht „Dione“ und die 5mR–Yacht „Clara“
  • 60 qm Kreuzer „Freya“ und „Greif II“
  • 75 qm–Kreuzer „Unterhavel“, „Memel“ und “Kobolt III“

Vom D.S.V. wurde Paul Francke als bester Bootskonstrukteur für 50qm– und 100qm–Boote mehrmals ausgezeichnet.

Im Jahre 1914 wurde Francke Chefkonstrukteur den Engelbrecht–Werft in Berlin, deren Inhaber der ebenfalls sehr bekannte Bootskonstrukteur Fritz Naglo war. Herbst 1916 wechselte er zu Abeking&Rasmussen. Ab 1921 arbeitete Paul Francke als selbständiger Konstrukteur in Berlin–Friedrichshagen. Von 1923 – 1927 war er Mitglied in der Technischen Kommission des D.S.V. und wurde 1930 zum Kommerzienrat ernannt. In den Unterlagen, die dem Autor zugänglich waren, wurde Francke 1933 in einem Ehrenbericht des Segel Club Müggelsee zum 75 Geburtstag (Die Yacht, Heft 3/1933) erwähnt und dann ein letztes Mal 1938 zu seinem 80. Geburtstag (Die Yacht, Heft 3/1938).

In seiner aktiven Zeit als Regattasegler nahm Paul Francke an über 700 Regatten teil und feierte am 21. Mai 1922 seinen 500. Sieg.

Hier enden die Recherchen, doch gut zu wissen, dass Paul Francke für die L–Boote ein guter Zeichner war.

Erfolgreiche deutsche Herren–Segler

Unter diesem Titel fand sich ein Bericht aus dem Jahre 1913.

Zwar nicht den Lebensjahren, aber doch den Sportsjahren nach – wenn man so sagen darf – ist Herr Paul Francke, Berlin, zu den älteren erfolgreichen deutschen Seglern zu rechnen. Er hat insofern auch seine besondere Note, als er der Seglerwelt nicht nur als Führer von Yachten sondern eben so gut als Konstrukteur von Segel– und Motorfahrzeugen bekannt ist. Herr. Francke betätigt sich schon seit 32 Jahren im Segelsport.

Er hat in dieser Zeit 372 Regatten als Führer von Segelyachten und Booten gefahren, wobei er 228 Preise errang und zwar: 106 erste, 66 zweite, 16 dritte, 7 vierte, 3 fünfte, 3 sechste; 4 siebente und 21 Extrapreise. 27 Wettfahrten fuhr er nicht zu Ende, eine wegen Mastbruchs, 6 wegen Berührens von Bojen; dreimal war seine Yacht auf Grund gekommen; 15 Mal schied er wegen völliger Aussichtslosigkeit aus dem Rennen; einmal brach er die Wettfahrt wegen eines Zusammenstoßes ab und einmal ist sein Boot gekentert. Daß er bei 372 Starts nur einmal ausgeschlossen wird, spricht für seine Kenntnis und Beherrschung der Wettfahrtbestimmungen. Als Besonderheit soll hier noch erwähnt werden, daß er ein Rennen nicht mitsegeln konnte, weil das Großsegel seiner Yacht von vorn nach hinten quer durchriß. Es war dies die kleine Yacht Bubble des Herrn DR. Camillo von Türk, Wien, die damals als erster Original–Herreshoft’scher Wulstkieler nach dem Kontinent gelangt war und auch die Kieler Regatten mitsegelte. Es wehte an jenem Tage sehr hart, die Yacht hatte das Großsegel dicht gerefft und noch ehe sie von ihrer Boje loswerfen konnte, zerbarst unter dem Drucke eines Windstoßes, der über die Düsternbrooker Höhen hinweg einfiel, das aus sehr feinem amerikanischen Tuch gemachte Großsegel.

Weit mehr als bei anderen erfolgreichen Seglern spricht bei Herrn Francke die Herkunft der von ihm geführten Yachten mit. Im Ganzen hat er 72 verschiedene Yachten geführt; und von diesen sind 52 seine eigenen Geisteskinder. Seine erste Segelfahrt machte er am 1. Mal 1879. Wenn wir nicht irren, war es auf der Havel mit dem heute noch existierenden Kielboot Nordstern, welches zu der damals noch ziemlich zahlreichen Schildhorn–Flotte gehörte. Heute ist Schildhorn als Ankerplatz für Segelyachten kaum noch in Benutzung, dagegen haben sich in der gegenüberliegenden Weinmeisterhornbucht (hier befindet sich heute der ASV) und auf dem benachbarten Stössensee große Seglerkolonien gebildet, die wohl jetzt schon über einige hundert Fahrzeuge verfügen. Die erste Wettfahrt segelte Herr Francke am 22. August 1880 auf dem Wannsee mit der kleinen 4,5 m langen Schwertyacht Ella. Es war eine offene Wettfahrt des Segler–Clubs der Unterhavel, des Vorläufers des Vereins Seglerhaus am Wannsee, und als Führer des absolut langsamsten Bootes erhielt er den damals üblichen, prachtvoll ausgestatteten Pfefferkuchen.

Trotz dieses nicht gerade sehr ermutigenden Anfangs startete er im folgenden Jahre mit anderen Yachten, und eine Reihe sehr schöner Erfolge erzielte er mit der von Höppner erbauten Schwertyacht Iris. Sie war für die damaligen Berliner Verhältnisse geradezu Epoche machend…..

…..die aber zunächst noch eben nur Entwürfe blieben, Diese zeichnerische Beschäftigung führte aber doch dahin, daß er bald um Rat gefragt wurde von Seglern, deren Boote irgend einen Konstruktionsfehler besaßen, der trotz aller Bemühungen nicht verschwinden wollte. Mehrere solcher glücklicher Kuren verschafften Ihm bald den Ruf eines geschickten Amateur–Boots–Doktors, und es dauerte auch nicht lange, so fanden sich Herren, welche ihn baten, Fahrzeuge ganz neu für sie zu zeichnen. Die ersten ermutigenden Anfänge mit den kleinen Schwertbooten Greif, Seestern, Wiking, Swantewit usw. verschafften ihm bald in .Berliner Seglerkreisen einen guten Ruf, was auch zum Teil daran liegen mochte, daß er nicht nur die Yachten konstruierte, sondern sie auch selbst höchst geschickt segelte.

Die ersten Konstruktionen waren meist leichte Flundern, allmählich aber wandte er der Verwendung von Bleikielen größere Aufmerksamkeit zu, und die Erfolge dieser Arbeiten traten in Baldur (1893, 6 Rennen, 4 erste Preise und einen zweiten Preis) und Lita (1894, I Kaiserpreis, 3 erste und I zweiten Preis in 4 Rennen) zu Tage. Auch die Jahre 1895, 96 und 97 waren für ihn glückliche. Irrlicht I ersegelte unter seiner Führung in 11 Rennen 7 erste, 2 zweite und 1 dritten Preis. Auch gute Boote, aber etwas weniger erfolgreich, waren in den folgenden Jahren Emma, Kiebitz, Phantom, Irrlicht II und Libelle. Einen glänzenden Verlauf nahm das Jahr 1902 mit der 8 SL–Yacht Stella, welche unter seiner Führung in 11 Rennen 11 erste und 2 Extrapreise gewann; 1903 reihte sich dem Vorjahr würdig an, denn in 15 Rennen holte sich die von ihm. konstruierte Mathilde unter seiner Führung 8 erste und 3 zweite Preise. In den beiden folgenden Jahren entstanden Mausi, Alba und Wanderer, Fahrzeuge, die mehr auf Tourensegeln zugeschnitten waren.

Einen durchschlagenden Erfolg bescherten ihm aber wieder die Jahre 1906 und 1907, in welchen er die von ihm gezeichnete 7 SL–Kreuzeryacht Wittelsbach I in 23 Rennen führte, und dabei 12 erste, 7 zweite und 3 Extrapreise eroberte.

Bei der ersten Sonderklassen Regatta war er 1900 mit seinem Felix beteiligt. Er erreichte den 2. Platz. 1901 waren die von ihm konstruierte Bella, – ex BSC – und Drauf am Start. Die Sonderklassen–Yacht Wittelsbach II, die er auch im Jahre 1907 gezeichnet hatte, errang unter seiner Führung 4 erste Preise (darunter den Samoa–Pokal), 3 zweite, 1 dritten und 1 vierten Yachtpreis bei im ganzen 16 Starts. In den letzten Jahren zeichnete und führte er die Yacht Wittelsbach III (8m Yacht) und die Sonderklassen Wittelsbach IV und V. Auch diese waren vortrefflich gelungene Boote, wenn sie auch an die Leistungen ihrer Vorgängerin Wittelsbach II nicht ganz heranreichten. (1911 konstruierte er die Sonderklasse Tanta Laura und die Jugend II. Die beiden bei Engelbrecht gebauten Sonderklassen Bambino II und Bambino III könnten auch von ihm gezeichnet sein. Wie groß sein Einfluss bei den von Naglo gezeichneten Sonderklassen war, weiß ich nicht.)

Seit langer Zeit ist Herr Francke schon zum Berufskonstrukteur geworden und seit vielen Jahren versorgt er die Firma C. Engelbrecht mit Wissen. Auch in der Konstruktion von Motoryachten hat er sich mit bestem Erfolg versucht, und die zahllosen Erzeugnisse der Engelbrechtschen Werft, welche auf dem Gebiet des Motoryachtbaues wohl die hervorragendste Stelle in Deutschland einnimmt, zeugen für die Gewandheit des Konstrukteurs und für die Geschicklichkeit, mit denen er sich stets den wechselnden Anforderungen der Zeiten anzupassen wusste.